2mal Ostern gibt es nur 1mal im Jahr – &zwar in meinem Freiwilligenjahr
Habt ihr schon mal zweimal Ostern
in einem Jahr gefeiert? Wahrscheinlich nicht, aber ich und zwar dieses Jahr. Da
das Westliche Christentum dem gregorianischen Kalender folgt und die orthodoxe
Kirche dem julianischen Kalender, fällt das Osterfest häufig auf ein
unterschiedliches Datum. So auch dieses Jahr, denn zwischen den Osterfesten der
westlichen und orthodoxen Kirche lag in diesem Jahr genau eine Woche. Und so
ergab sich für mich die Chance Ostern gleich zweimal zu feiern.
Meine Karwoche begann wie
gewöhnlich mit dem Palmsonntag. Während ich aus meiner Heimatgemeinde Buchsbaum
als Plamzweige kenne wurden hier Weidenzweige verteilt und zu einem Kranz
gebunden. Als ich nach der Messe ein paar Leute in der Stadt traf löste ich
etwas Verwirrung aus. Ist heute denn schon Zwetnitza? So wird in Bulgarien
Palmensonntag genannt. An diesem Tag wird nicht nur Jesus Einzug in Jerusalem
gefeiert, sondern auch Namenstag von allen die nach einer Blume oder Pflanze
benannt sind. Der ein oder andere, der meinen Weidenkranz sah, hatte vielleicht
Angst den Namenstag eines Freundes oder einer Freundin vergessen zu haben, denn
Namenstag ist hier genauso wichtig wie Geburtstag.
Gründonnerstag ist mein
Lieblingstag in der Karwoche. Da feiern wir das letzte Abendmahl, den Ursprung
für die Eucharistiefeier, die wir in jeder Messe feiern und den Ursprung
unseres Glaubens, dass Jesus mitten unter uns ist. Dieses Jahr habe ich die
Messe allerdings verpasst, da ich eine Konzertkarte für Mihaela Fileva, so
etwas wie die deutsche Helene Fischer, hatte. Da wurde mir mal wieder klar,
dass ich gerade in einer anderen Kultur lebe. Auch wenn viele Dinge hier auf
den ersten Blick gleich erscheinen gibt es doch Unterschiede, wie zum Beispiel
Ostern. Das feiern Menschen in West- und
Osteuropa aber eben zu einer anderen Zeit. Die liturgischen Feiern zu
Karfreitag und Karsamstag verpasste ich dann natürlich nicht mehr. Die
Osternacht in der Kathedrale St. Josef in Sofia war mit einer Länge von über
drei Stunden und fünf Taufen sehr feierlich. Nach dem Gloria, als das Licht in
der Kirche wieder eingeschaltet wurde, war ich die einzige, die fröhlich ihre
Kerze auspustete. Nach der Osternacht als die ganze Gemeinde mit der Monstranz
eine Runde um die Kirche zog, verstand ich warum es wichtig war die Kerze die
ganzen drei Stunden brennend in der Hand zu halten. Und so lernte ich kennen
wie Katholikinnen und Katholiken in Bulgarien Ostern feiern. Was mir jedoch
fehlte waren meine Familie und Freundinnen und Freunde mit denen ich jedes Jahr
zu Ostern zusammen komme. Aber zum Glück musste ich den Ostersontag nicht
alleine verbringen. Eine meiner Kolleginnen lud mich ein mit zwei Jugendlichen
aus unserem Projekt zu den Bojana Wasserfällen zu wandern. Für die Jugendlichen
war der Start unserer Wanderung eine kleine Überwindung aber wir konnten sie
motivieren auch wenn es anstrengend war dran zu bleiben. Und so wanderten wir,
hatten viele gute und intensive Gespräche, trafen auf dem Weg unzählige
deutsche Touristen und genossen am Ziel die beeindruckende Natur. Statt des
üppigen und köstlichen Osteressens meiner Mutter gab es ein kleines Picknick
mit Ostereiern und natürlich einem Eierkampf mit Ausblick auf den Wasserfall
und anschließend zurück in Sofia ein Osteressen in einem veganen Restaurant.
Während ich schon Ostern feierte, kamen die Bulgarinnen und Bulgaren mit ihren
Plamkränzen aus den Kirchen. Mein Kranz, nach orthodoxer Tradition, hing schon seit einer Woche über meiner
Wohnungstür.
Nach meinem Ostern begannen dann
die Vorbereitungen für das orthodoxe Ostern. Mit den Kindern bastelte ich
fleißig allerhand Osterdekoration und wir färbten natürlich ein paar Ostereier.
Beim Ostereierfärben wird traditionell das erste Ei rot gefärbt. Mit dem frisch
gefärbten Ei zeichnet ein Erwachsener einem Kind ein Kreuz auf die Stirn und
wünscht dem Kind Gesundheit. Ich bin zwar schon erwachsen aber trotzdem habe
ich ein rotes Kreuz auf die Stirn bekommen. Die Osterwoche bedeutete für mich
aber nicht nur Vorbereitung auf das nächste Osterfest sondern vor allem auch
Fastenbrechen. Endlich konnte ich wieder Schokolade essen und das bulgarische
Osterbrot Kosunak, das schon seit Tagen
in den Bäckereien Sofias verkauft wurde, probieren. Außerdem besuchte ich an
Gründonnerstag und Karfreitag die Messen in den zwei größten orthodoxen Kirchen
Sofias. Diese kann man mit der Liturgie in der katholischen Kirche kaum
vergleichen. Ein Ritual während der Messe am Karfreitag ist mir besonders in Erinnerung
geblieben. Zum Ende der Messe wurden von den Priestern in einer kleinen
Prozession eine rote Leinendecke, eine besondere Ikone und ein Kreuz durch die
Kirche getragen. Vor dem Kreuz im Altarraum stand ein Tisch auf dem die Decke
ausgebreitet wurde und die Ikone und das Kreuz abgelegt wurden. Anschließend traten
die Gemeindemitglieder vor den Tisch, küssten die Ikone und das Kreuz legten
Nelken dazu und krabbelten unter dem Tisch her. Damit werden den Gläubigen die
Süden vergeben und es soll Gesundheit bringen.
Zum orthodoxen Osterfest lud mich
einer meiner bulgarischen Mitfreiwilligen in seine Heimatstadt ein. Und so fuhr
ich mit dem Bus in eine kleine Stadt im Süden Bulgariens in der Nähe der Grenze
zu Griechenland. Der Busfahrer fragte mich ungläubig, ob ich auch das richtige
Ticket hätte. Ja es ist tatsächlich nicht das typische Reiseziel für eine
deutsche Touristin. Aber ich bin nun mal keine Touristin und selbst wenn, würde
sich diese Reise wegen der wunderschönen Landschaft für jeden Touristen lohnen.
Dort angekommen wurde ich herzlich von seiner Familie begrüßt. Kurz darauf
lernte ich seine Freunde kennenden, die jedes Jahr zu Ostern in die Heimatstadt
zurück kehren. Wie viele andere an diesem Abend tranken wir zusammen Bier und gingen dann zur Kirche, wo schon
unzählige Leute darauf warteten, dass die Osternacht endet und der Priester herauskommt
und allen die frohe Botschaft verkündet: Christus ist auferstanden.
Anschließend wurde die Flamme vom Osterfeuer, die jedes Jahr aus Jerusalem nach
Bulgarien gebracht wird, mit Kerzen an alle Personen weitergegeben. Dann gingen
wir, ähnlich wie in der katholischen Osternacht, mit unseren Kerzen dreimal um
die Kirche.
Am Ostersonntag zeigte mein
Mitfreiwilliger mir seine Heimatstadt. Anschließend gab es das
Oster-Mittagessen mit der Familie. Das Drei-Gänge-Menü beinhaltete den
typischen bulgarischen Vorspeisensalat
mit Gurken und Tomaten, als Hauptspeise ein traditionelles Ostergericht mit
Lamm und Reis und zur Nachspeise ein Schoko-Mousse. Natürlich durfte zum Essen
der selbstgemachte Wein und Rakija nicht fehlen. Beim Essen lernte ich außerdem
seine kleine Nichte kennen, die durch mich gleich ein neues Wort lernte. Wenn
eine Frau in den Zwanzigern, die noch keine Kinder hat, bei einer Familie zu
Besuch ist, die ein kleines Kind hat, wird diese Kaka genannt. Ein einfaches Wort, das die Kleine schnell
beherrschte. Anschließend machten wir eine kleine Sightseeing-Tour zu zwei
Orten mit einem wunderschönen Ausblick auf die Natur Bulgariens. Zum einen
schauten wir uns die archäologischen Ausgrabungen Perperikon an. Diese liegen auf einem Hügel im Rhodopen-Gebirge und
zeigen eine Felsenstadt der Thraker, die dort in der Antike angesiedelt waren. Unser
zweiter Stopp war ein Stausee der mitten in der gebirgigen Landschaft liegt. Auf
einem kleinen Bot am Ufer konnte man dort frisch gefischten und zubereiteten
Fisch essen. Das war das erste Mal, dass ich einen Fisch selbst zerlegt habe.
In so einem Freiwilligenjahr geht jeder über seine Grenzen hinaus… ich beim
Fisch zerlegen.
Ostermontag fuhren wir dann
wieder zurück nach Sofia. Auf dem Rückweg machten wir einen kurzen
Zwischenstopp an der größten Marienstatue der Welt und in der kleinen Stadt Rakowski, in der sich die größte
katholische Gemeinde Bulgariens befindet. In der Kirche liefen schon die
Vorbereitungen auf Hochtouren, denn in wenigen Tagen wird Papst Franziskus mit
den Kindern dieser Gemeinde die erste heilige Kommunion feiern. Am meisten
beeindruckt haben mich die modernen bunten Kirchenfenster.
Neben den zwei Osterfesten gab es
im letzten Monat noch ein kleines Highlight. In Sv. Konstantin gibt es eine
Kerzen – und Keramikwerkstatt, in der zwei Mitarbeiterinnen mit den Jugendlichen
Kerzen und verschiedene Keramikgegenstände herstellen. Dieser Bereich gehört
eigentlich nicht zu meinen Aufgaben aber als ich mal ausnahmsweise nichts zu
tun hatte, ergab sich die Gelegenheit auch mal ein paar Kerzen zu produzieren.
Mit den Kerzen und der Keramik fahren die Mitarbeiterinnen und Jugendlichen zu
verschiedenen Veranstaltungen, um sie zu verkaufen, Spenden zu sammeln und über
die Projekte von Concordia zu informieren. Zu diesen Events fahre ich gerne mit, weil es
eine gute Abwechslung zur Arbeit mit den Kindern ist. Dieses Mal ging es
unteranderem in den Buisnesspark in Sofia und ins Parlament. Dort verkauften
wir nicht nur Kerzen und Keramik an die Politiker, sondern aßen auch mit ihnen
in der Mensa zu Mittag. Außerdem hatte ich die Möglichkeit mir eine Sitzung des
Parlaments anzusehen und an die Stelle zu treten, an der normalerweise der
Präsident seine Pressekonferenz hält.
In den letzten Monaten ist mir
mal wieder bewusst geworden, dass es viele verschiedene Faktoren gibt, die ein
Freiwilligenjahr beeinflussen und es somit zu einem guten oder auch zu einem anstrengend
und schwierigen Jahr machen. Da gibt es zum Beispiel das Land, das Projekt, die
Motivation, das Interesse, der Arbeitsplatz, die Wohngegend und vieles mehr.
Aber vor allem sind es die Menschen auf die man trifft. Wenn sie einen nicht
nur als Freiwillige sehen, die vor Kurzem kam und bald wieder geht, sondern als
Menschen begegnen, wenn sie etwas aus ihrem Leben mit einem teilen, Lust haben
ihre Kultur zu zeigen und an einem kulturellen Austausch interessiert sind,
dann ist das das Beste was einem als Freiwillige passieren kann.
Deswegen widme ich diesen Blogeintrag
Jana und Mitko, denn sie bereichern mein Freiwilligenjahr ungemein!
Und nächstes Mal bei „Louisa für
ein Jahr in Sofia“: Papst Franziskus zu Besuch in Bulgarien.
Bis dahin, eure Louisa!
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