Weihnachten und Silvester einmal anders
Das
Freiwilligenjahr von jesuit volunteers
steht unter dem Motto „Ein Jahr anders Leben“. Das heißt auch ein Jahr
Weihnachten und Silvester anders als sonst zu verbringen. Wie ich die letzten
Adventstage, das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel hier in Sofia erlebt
habe, erfahrt ihr in diesem Blogeintrag. Viel Spaß beim Lesen!
In
den vergangenen Jahren hatte ich an den letzten Tagen vor Weihnachten meist
einiges zu tun. Ich verbrachte viel Zeit damit Geschenke zu kaufen, viele
Freundinnen und Freunde zu treffen, die ich einige Monate nicht mehr gesehen
hatte und ich verbrachte auch viel Zeit am Schreibtisch, da die ersten Abgaben
von Hausarbeiten und Prüfungen näher rückten. Dieses Jahr hatte ich diesen
Stress nicht. Da die bulgarische Post keinen guten Ruf hat, verzichtete ich
darauf Weihnachtspäckchen an meine Familie zu schicken, meine Freundeskreis war
zu weit weg um ihn zu treffen und Hausabreiten oder Prüfungen standen zum Glück
auch nicht an. Und somit nutzte ich meine freie Zeit um mit einer Freundin in
die Oper zugehen. Mehrere Leute hatten mir erzählt, dass „Der Nussknacker“ sehr
empfehlenswert sei und sie sollten Recht behalten. Das Ballett, die Kostüme,
der Opernsaal und das Orchester waren wunderschön. Auch meine Freundin, die nie
zuvor in einer Oper gewesen war, kam aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Wir
gingen durch die vom Schnee bedeckten Straßen nach Hause und meine Vorfreude
auf Weihnachten wurde immer größer.
Die
letzten Arbeitstage vor Weihnachten verbrachte ich mit Plätzchen backen. Meine
Kolleginnen und Kollegen waren von meiner Idee, mit den Kindern Plätzchen zu
backen, sehr begeistert. Sie freuten sich, dass ich den Kindern eine
Weihnachtstradition zeigen wollte, die im Gegensatz zu Bulgarien in Deutschland
und vielen anderen Ländern üblich ist. So backte ich mit den Kindern im Day Care Center und mit den Kindern im Family type house Weihnachtsplätzchen.
Meine Kolleginnen besorgten die Zutaten und ich stellte mit den Kindern den
Teig her. Während die Kinder immer wieder den Teig ausrollten und die Plätzchen
ausstachen, schob ich ein Backblech nach dem anderen in den Backofen und somit
hatten wir nach kurzer Zeit einen Tisch voller Plätzchen, die darauf warteten
verziert zu werden. Ich zeigte den Kindern wie man eine Zuckerglasur herstellt
und Schokolade in einem Wasserbad zum Schmelzen bringt. Einen Tag nach unserer
Plätzchen-Back-Aktion fand im Daye Care
Center eine Weihnachtsfeier mit allen 22 Kindern und ihren Eltern statt.
Auf den gedeckten Tischen waren, neben Knabbereien und einer Geburtstagstorte
für ein Geburtstagskind, auch unsere selbstgemachten Weihnachtsplätzchen zu
finden. Nachdem wir ein Lied für das Geburtstagskind gesungen und Torte
gegessen hatten, trat einer der Kollegen als Weihnachtsmann verkleidet in den
Raum. Er rief nacheinander die Kinder auf und überreichte jedem Kind mehrere
Geschenke. Zum Teil waren die Geschenke größer als die Kinder. In den Tüten und
Kartons verbarg sich Spielzeug, das die Kinder Ende Oktober auf ihren
Wunschzettel gemalt oder geschrieben hatten. Während einige Familien die
Geschenke nicht auspackten und wahrscheinlich bis zum Weihnachtsfest damit
warteten, öffneten andere Kinder voller Freude die Tüten und Kartons. Kurze
Zeit später hielten einige Mädchen Puppen in ihren Armen und mehrere
ferngesteuerte Autos düsten über den Flur. Neben dem Spielzeug bekam ein Junge
eine Gitarre und alle Kinder neue Kleidungsstücke oder warme Winterschuhe
geschenkt. Für mich war es eine große Freude die Kinder so glücklich mit ihrem
neuen Spielzeug zu sehen. Was mir neben den Geschenken und dem gemütlichen
Beisammensein allerdings fehlte waren Weihnachtslieder und Gedichte. Und so war
die Weihnachtsfeier nach der Bescherung und einem Gruppenfoto mit dem
Weihnachtsmann auch schnell wieder vorbei.
Meine
Adventszeit begann mit dem Kerzenverkauf für Concordia auf dem deutschen
Weihnachtsmarkt und endete auch so. Während ich am 4. Advent in der Hütte des
Weihnachtsmarktes saß herrschte Tauwetter. Die Schneemassen vom 3. Advent waren
nun verschwunden und somit auch meine Hoffnung endlich mal wieder weiße
Weihnachten zu erleben.
Heiligabend
sollte in Sveti Konstantin eine
Weihnachtsparty für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die hier wohnen
und allen anderen, die sich Concordia verbunden fühlen, stattfinden. Da ich
über den Beginn der Weihnachtsparty falsch informiert wurde, kam ich eine halbe
Stunde zu spät. Außerdem stelle sich heraus, dass die angekündigte
Weihnachtsparty lediglich ein Abendessen mit einer kleinen Bescherung war. Als
ich kam, waren bereits alle mit dem Essen fertig und die Bescherung startete.
Während die zahlreichen Leute ihre Geschenke entgegennahmen, probierte ich das
Weihnachtessen. In Bulgarien isst man am Heilig Abend vegetarisch. Es gab
Bohnensuppe, Bot, sauer eingelegtes Gemüse, gefüllte Kohlblätter und
Apfeltaschen. Ich hatte mich gefreut mit den Leuten aus der Roma Community
Heiligabend zu feiern und war über den Verlauf des Abends sehr enttäuscht. In
den Vorbereitungsseminaren vor unserem Einsatz wurden wir darüber informiert,
dass es immer mal wieder Kommunikationsprobleme geben kann, aber die hätten nun
wirklich nicht an Weihnachten auftreten müssen… Anschließend verbrachte ich
etwas Zeit mit meinem Mitfreiwilligen im Büro, da er die Nachtschicht
übernommen hatte. Dann machte ich mich auf den Weg zur Christmette in die katholische
Kathedrale.
Am
ersten Weihnachtstag war ich auf einer kleinen Familienfeier meiner Mentorin
eingeladen. Wir feierten bei ihrer Tante, die Deutsche ist und in den 70er
Jahren nach Bulgarien gekommen war. Ich wurde sehr herzlich empfangen und für
die Familie schien es selbstverständlich, dass ich an ihrem Weihnachtsfest
teilhaben darf. Wir tauschten Geschenke aus und nahmen dann an dem festlich mit
deutschem Weihnachtsgeschirr gedeckten Tisch Platz. Als Vorspeise gab es
verschiedenen Käsesorten, Tomaten und Oliven. Zum Hauptgericht servierte die
Tante Fleisch mit Kartoffeln und Weißkohl und dazu einen bulgarischen Rotwein.
Meine Mentorin sagte mir, dass ihre Tante besser als jede Bulgarin kochen
könnte und sie hatte Recht. Den typischen bulgarischen Kohl hatte ich hier
schon einige Male gegessen, aber dieser schmeckte besonders gut. Da ich kein
Fleisch esse, hatte die Familie etwas von dem Essen vom Vortrag für mich
aufgehoben. Somit gab es für mich noch zusätzlich Bohnensuppe sowie mit Reis gefüllte
Paprikaschoten und Kohlblätter. Außerdem hatte meine Mentorin ein Baniza zubereitet. Dies ist ein
typisches bulgarisches Brot aus Blätterteig und Feta-Käse. Traditionell wird
das Baniza an Heiligabend gegessen.
Im Brot wird eine Münze versteckt. Wer das Stück Brot mit der Münze bekommt,
hat im kommenden Jahr besonders viel Glück. Meine Mentorin entschied sich
stattdessen für eine Variante, die am Silvesterabend Tradition ist. Dabei
werden kleine Zettel in dem Brot versteckt, auf denen Vorausdeutungen für das
kommende Jahr geschrieben stehen. Mein Stück Baniza versprach mir für das neue Jahr viel Gesundheit. Nachdem
Mittagessen gab es anschließend Torte und Kaffee. Wir saßen den ganzen
Nachmittag zusammen und unterhielten uns. Die Familie erzählte mir viel über
die Geschichte und Kultur des Landes und gab mir viele Tipps welche Städte und
Sehenswürdigkeiten ich in meinem Freiwilligenjahr besuchen sollte. Für die
Einladung, mit meiner Mentorin Weihnachten zu feiern, war ich unglaublich
dankbar. Dadurch musste ich Weihnachten nicht alleine verbringen und hatte die
Chance bulgarische Weihnachtstraditionen kennenzulernen.
Vom
zweiten Weihnachtstag war hier in Sofia weit und breit keine Spur zusehen. Mein
Plan war eine orthodoxe Messe und ein Weihnachtskonzert zu besuchen. Beides
schien es nicht zu geben. Somit ging ich nochmal in die katholische Messe, die
leerer war als an jedem Sonntag. Alle Geschäfte in der Stadt hatten geöffnet
und die Straßen waren wieder voller Autos. Ich verabredete mich mit einer
Freundin zum Mittagessen. Anschließend fragte sie mich, ob ich sie in ein
Shopping Center begleiten würde, da so noch einige Geschenke für ihre
Freundinnen in der Heimat kaufen wollte. Sie erzählte mir, dass sie Bulgarien
schon bald verlassen und in ihre Heimat zurückkehren würde. Sonst schlendere
ich gerne mit ihr durch die Geschäfte, aber Weihnachten in einem überfüllten
Shopping Center konnte ich mir wirklich nicht vorstellen… ich sagte ihr
trotzdem zu. Die Nachricht, dass sie Bulgarien bald verlassen werde traf mich
sehr, weil ich in ihr eine gute Freundin gefunden hatte. Zudem war meine Laune
eh schon nicht die beste, da das WLAN seit mehr als einer Woche ausgefallen war
und ich keine Möglichkeit hatte meine Familie über Skype zu sehen. Und dann
wurde auch noch das Portmonee meiner Freundin gestohlen. Somit war ich dann
auch wirklich froh, als die Weihnachtstage vorüber waren.
Nach
Weihnachten herrschte bei den Kindern in Bozhurishte
schlechte Stimmung. Die meisten Kinder waren über die Feiertage bei ihren
Familien, Verwandten oder Geschwistern untergebracht. Vier der neun Jungen und
Mädchen hatte aus verschiedenen Gründen nicht die Möglichkeit ihre Familien zu
besuchen. Die Kinder wussten nicht was sie machen wollten und wiesen all meine
Vorschläge erst einmal zurück. Einem Mädchen konnte ich dann doch noch etwas
bessere Laune verschaffen, indem ich ihr eine aufwendige Flechtfrisur machte,
die sie mir zuvor in einem YouTube Video gezeigt hatte. Die Jungen konnte ich
irgendwann dazu überreden mit mir Raketen aus Klopapierrollen zu basteln. Und
dann saßen wir alle auf dem Sofa und sahen einen Film. Zwei der Kinder legten
ihre Köpfe auf meine Schultern und ich fühlte mich als würde ich mit meiner
Familie auf dem Sofa sitzen. Familie… das war genau das, was die Kinder und ich
in den Tagen dringend brauchten.
Zum
Silvesterdinner lud mich einer meiner bulgarischen Mitfreiwilligen zu seinen
Freunden ein. Während wir auf die anderen Gäste warteten, diktierte er mir auf
Bulgarisch die Vorausdeutungen für das kommende Jahr, die ich auf kleine Zettel
schreib und anschließend in das Baniza
steckte. Die Gäste kamen aus verschiedensten Teil Bulgariens und brachten selbstgemachte
Spezialitäten aus ihrer Region mit. Es gab Salate, Gemüse, Kohl, Fleisch,
verschiedene Brote, Aufstriche und gleich mehrere Baniza. Dieses Mal stand auf meinem Zettel, dass ich ein Portmonee
voller Geld haben werde. Auch der Wein und der bulgarische Schnaps Rakija waren selbst gemacht. Wir aßen
und unterhielten uns bis kurz vor Mitternacht. Dann sahen wir die Ansprache des
Präsidenten im Fernsehen, ließen kurz nach zwölf den Korken knallen und stießen
auf das neue Jahr an. Da wir lediglich im sechsten Stock feierten, nahmen uns
die anderen Wohnblöcke die Sicht auf das Feuerwerk. Aber mir schien es eh so
als wäre das Feuerwerk hier mehr laut als bunt. Anschließend sahen wir im Fernsehen
die Silvesterfeier im Stadtzentrum bei der bulgarische Tänze aufgeführt wurden,
die wir dann auch im Wohnzimmer tanzten.
Der
erste Tag im Jahr war für mich gleich auch ein Arbeitstag. Ich fuhr zu den
Kindern nach Bozhurishte. Fast alle
Kinder waren aus ihren Familien wieder zurückgekehrt und wir unternahmen an dem
sehr sonnigen Tag einen Neujahrsspaziergang. Auch in Sveti Konstantin kehrte wieder mehr Leben ein und ich startete eine
erste kleine Bastelaktion mit den Kindern.
Und
obwohl das Jahr erst knapp zwei Wochen alt ist, gab es für mich schon gleich
ein Highlight. Einige meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Day Care Center luden mich zu einer
gemeinsamen Wanderung auf den Berg Murgash,
ganz in der Nähe von Sofia, ein. Wir wanderten 16km auf fast 1600m. Die Sonne
schien, der Schnee glitzerte wie tausende Diamanten und vor allem herrschte eine
unglaubliche Stille und die Luft war so frisch wie ich sie schon lange nicht
mehr erlebt hatte. Ein sehr schönes Erlebnis, auch wenn ich danach einen fiesen
Muskelkater hatte.
Ich
bin gespannt was das neue Jahr noch so bringen wird… vielleicht ja viel
Gesundheit und ein Portmonee voller Geld. Und auch euch wünsche ich ein schönes
ereignisreiches Jahr 2019! Eure Louisa
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